8.4.1 Fußfehlstellungen

27.06.2024


In der kinderorthopädischen Betrachtung ist der kindliche Fuß ein wesentlicher Aspekt, insbesondere wegen der vielfältigen Veränderungen 

Fußform
Die kindliche Fußform macht im Laufe des Wachstums viele Veränderungen durch. 
Die Entwicklung des Fußes beginnt bereits in der fünften Embryonalwoche. Die räumliche Enge und Zwangshaltungen in der Gebärmutter können für postnatale, flexible Fußfehlstellungen verantwortlich sein. 
Zu Beginn des Laufalters ist in der Regel ein physiologischer Knicksenkfuß ohne ausgeprägte Quer- und Längsgewölbe zu beobachten. Diese Gewölbe entwickeln sich erst in den nachfolgenden Lebensjahren.
Die endgültige Fußform bildet sich bis zum Abschluss des Wachstums. Das Fußwachstum ist in den ersten sechs Lebensjahren am schnellsten, und bei Mädchen ist es in der Regel mit 12 Jahren, bei Jungen mit 14 Jahren abgeschlossen.

Oft stellt sich die Frage, ob die Fußveränderungen noch im Rahmen des Normalen liegen oder bereits Anzeichen pathologischer Zustände sind. Es gibt unterschiedliche Fußfehlformen, die von unbedenklichen Varianten, die kein unmittelbares Eingreifen erfordern .

Häufige Fußdeformitäten
Angeborene nichtstrukturelle Fußdeformitäten wie der Hackenfuß und Sichelfuß sind häufige Phänomene bei Neugeborenen und Kleinkindern.

Hackenfuß (Pes calcaneovalgus)
Flexible Fußfehlstellung (d.h. keine knöchernen oder gelenkbedingten Anomalien) mit einer starker Dorsalextension im oberen Sprunggelenk, wobei der Fußrücken nahe an die Vorderkante des Schienbeins gelangen kann. Die Ferse bleibt in normaler Position. Der Hackenfuß wird üblicherweise konservativ behandelt und normalisiert sich meist innerhalb weniger Wochen von selbst.

Sichelfuß (Pes adductus)
Flexible Fußfehlstellung mit erhöhter Vorfußadduktion, der Rückfuß bleibt normal positioniert. Die Ursache wird oft in intrauterinen Zwangshaltungen vermutet. Diese Fehlstellung ist manuell gut korrigierbar und neigt oft zu spontanen Selbstkorrekturen. Therapeutisch kann dieser Prozess durch Stimulation der abduzierenden Fußmuskulatur gefördert werden.

Knicksenkfuß
Physiologischer Knichsenkfuß
Knicksenkfüße sind ein normaler Teil der Fußentwicklung bei Kindern und bis zum Alter von etwa sechs Jahren häufig . In diesem Stadium ist es typisch, dass das Fußgewölbe noch flach ist, da es sich erst mit der Zeit entwickelt. 

Pathologischer Knicksenkfuß
Ein pathologischer Knicksenkfuß liegt vor, wenn die Entwicklung des Fußgewölbes deutlich hinter dem üblichen Entwicklungsverlauf zurückbleibt. Hierbei ist das Längsgewölbe stark abgeflacht oder sogar ganz verschwunden, und der Fuß zeigt eine verstärkte Auswärtsneigung. Trotz dieser Veränderungen bleibt die Beweglichkeit in den Fußgelenken normalerweise erhalten.
Man unterscheidet 2 Formen:

  • unkomplizierter Knicksenkfuß: Das Fußgewölbe kann beim Stehen auf den Zehenspitzen oder beim Durchführen des Jack-Tests (Großzeh nach oben ziehen) oft vorübergehend wiederhergestellt werden.
  • rigider Knicksenkfuß: Gelegentlich bei Kindern ab dem 10. Lebensjahr; Fuß kann weder aktiv noch passiv korrigiert werden. Das Längsgewölbe fehlt, die Ferse ist vermehrt auswärtsgeneigt (Valgusposition), der Vorfuß auswärtsgedreht. Die Bewegungsfähigkeit im unteren Sprunggelenk ist v.a. bei Drehbewegungen (Pro- und Supination) stark eingeschränkt oder aufgehoben. Die Kinder klagen häufig über Schmerzen, die sich auf das Talonavikulargelenk projizieren, und manchmal sogar über Schmerzen in Ruhe. Oft ist auch der Muskeltonus der Peronäusmuskulatur (Wadenmuskulatur) erhöht.

Was tun?
In den meisten Fällen verursachen Knicksenkfüße keine Beschwerden und beeinträchtigen auch bei sportlichen Aktivitäten nicht. Bei einigen Kindern können jedoch mit zunehmendem Alter Beschwerden auftreten, besonders bei Belastung. Diese Schmerzen treten vorwiegend am inneren Fußrand und im Bereich des Mittelfußes auf. In schwereren Fällen können auch eine verstärkte Hornhautbildung und Druckstellen am inneren Fußrand entstehen.

Die erste Wahl der Behandlung sind konservative Maßnahmen:

  • spezielle Übungen (z.B. Sprungübungen) zur Stärkung der Muskeln, die das Fußgewölbe unterstützen
  • Einlagen: bei Schmerzen oder Beschwerden; die Entscheidung für Einlagen sollte sorgfältig und gezielt getroffen werden.

Bei einem rigiden Knicksenkfuß ist die Vorstellung beim Orthopäden (Schwerpunkt Kinderorthopädie) empfohlen.

Habitueller Zehenspitzengang
Gangabweichung, bei der der Fuß zunächst über den Vorfuß statt der Ferse aufgesetzt wird. Dies ist besonders bei Kleinkindern bis etwa 2–3 Jahre häufig und sollte sich normalerweise bis zum Alter von 3–7 Jahren normalisieren. Die genauen Ursachen des idiopathischen Zehenspitzengangs sind unklar, jedoch zeigt sich oft eine familiäre Häufung und Jungen sind häufiger betroffen.

Bei Kindern über 3 Jahre oder mit auffälliger Anamnese und Untersuchung wird eine neurologische Abklärung empfohlen. Die Wirksamkeit verschiedener Therapieansätze ist in der Literatur umstritten. Es gibt keine klare Evidenz für die Notwendigkeit einer Behandlung bei idiopathischem Zehenspitzengang ohne strukturelle Veränderungen. In den meisten Fällen wird ein abwartendes Vorgehen empfohlen, besonders wenn keine strukturelle Verkürzung des M. triceps surae vorliegt und das Kind zeitweise normal gehen kann.

Weiterführende Informationen:

Wirth, T., Eberhardt, O. Fußfehlstellungen im Kindesalter. Monatsschrift Kinderheilkunde 159, 44–52 (2011)