8.7.2 Adipositas und Metabolisches Syndrom

14.11.2024


Was ist Adipositas?
Adipositas ist krankhaftes Übergewicht.

Was ist das Metabolische Syndrom?
Das metabolische Syndrom beschreibt eine Kombination mehrerer Risikofaktoren, die häufig mit Übergewicht einhergehen:

  • Insulinresistenz: Der Körper reagiert weniger empfindlich auf Insulin, was zu erhöhten Blutzuckerwerten führt. Dies kann eine Vorstufe von Typ-2-Diabetes sein.
  • Bluthochdruck: Übergewicht kann zu Bluthochdruck führen, der das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht.
  • Dyslipidämie: Fettstoffwechselstörungen, bei denen das „schlechte“ LDL-Cholesterin erhöht und das schützende HDL-Cholesterin erniedrigt ist.
  • vermehrtes Bauchfett: Fettansammlungen im Bauch sind besonders problematisch und erhöht das Risiko für schwere Erkrankungen.

Herausforderung Adipositas
Adipositas ist eine der größten Herausforderungen in der Kindergesundheit. Die Zahl übergewichtiger Kinder hat in den letzten Jahrzehnten stetig zugenommen. Die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken sind nicht zu unterschätzen. Insbesondere das Metabolische Syndrom kann langfristig zu schwerwiegenden Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen führen.

Was sind die Ursachen der Adipositas?
Adipositas entsteht, wenn über einen längeren Zeitraum mehr Energie aufgenommen wird, als der Körper verbrauchen kann. Dieser Energiestau führt dazu, dass sich Fett im Körper ansammelt. Es wäre jedoch zu einfach, die Ursache allein in zu viel Essen und zu wenig Bewegung zu suchen. Auch genetische Faktoren, psychische Einflüsse und das soziale Umfeld spielen eine wichtige Rolle.

  • Genetik: Manche Kinder haben von Geburt an ein höheres Risiko für Übergewicht, weil es in ihrer Familie häufiger vorkommt. Diese genetische Veranlagung beeinflusst zum Beispiel, wie der Körper Hunger und Sättigung steuert.
  • Lebensstil: Auch wenn genetische Einflüsse eine Rolle spielen, ist es vor allem der moderne Lebensstil, der zu Übergewicht führt. Eine kalorienreiche, zucker- und fettreiche Ernährung in Kombination mit wenig Bewegung ist die Hauptursache für die Adipositas-Epidemie. Kinder und Jugendliche verbringen heute viel Zeit im Sitzen, z.B. in der Schule, vor dem Computer oder vor dem Fernseher.

Wie erkennt man Adipositas?
Adipositas wird mit Hilfe des Body-Mass-Index (BMI) diagnostiziert. Dieser wird speziell für Kinder und Jugendliche nach alters- und geschlechtsspezifischen Perzentilen ausgewertet:

  • Übergewicht: BMI zwischen der 90. und 97. Perzentile
  • Adipositas: BMI über der 97. Perzentile
  • extreme Adipositas: BMI über der 99,5. Perzentile

Welche Diagnostik ist wichtig?
Bei Kindern mit Adipositas ist es nicht nur wichtig, den BMI zu überwachen, sondern auch mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Folgende Untersuchungen sollten durchgeführt werden:

  • Blutdruckmessung: Regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks, da Bluthochdruck eine häufige Begleiterkrankung ist.
  • Blutuntersuchungen: Um Stoffwechselstörungen wie Insulinresistenz und Dyslipidämie zu diagnostizieren, sollten Blutzucker, HbA1c sowie Cholesterin und Triglyzeride untersucht werden.
  • Taillenumfang: Sie gibt Aufschluss über die Fettverteilung im Körper, insbesondere über das gefährliche Bauchfett.

Was tun?
Die Therapie der Adipositas ist ein langfristiger Prozess und erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Familien, Ärzten und oft auch spezialisierten Einrichtungen. Je nach Schweregrad der Erkrankung gibt es unterschiedliche Ansätze.

Basistherapie
Der erste und wichtigste Schritt ist die Änderung des Lebensstils. Dabei geht es nicht um kurzfristige Diäten, sondern um langfristige Veränderungen in den Bereichen Ernährung, Bewegung und Verhalten.

  • Ernährung: Kinder sollten lernen, sich ausgewogen zu ernähren. Eine bunte Mischung aus Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und Eiweiß sollte im Vordergrund stehen. Stark zucker- und fetthaltige Zwischenmahlzeiten sollten dagegen vermieden werden.
  • Bewegung: Regelmäßige Bewegung ist wichtig. Kinder sollten sich täglich mindestens 60 Minuten bewegen (z.B. Sport oder aktives Spielen im Freien).
  • Verhalten: Verhaltenstherapie kann helfen, das Essverhalten zu regulieren. Es geht darum, emotionales Essen zu erkennen und gesündere Gewohnheiten zu entwickeln.

Kombinierte interdisziplinäre Therapieprogramme
Wenn die Basistherapie nicht ausreicht oder bereits gesundheitliche Komplikationen vorliegen, können intensivere Maßnahmen erforderlich sein. Als besonders wirksam haben sich interdisziplinäre Programme erwiesen, die Ernährung, Bewegung und Verhaltenstherapie kombinieren.

  • Diese Programme eignen sich besonders für Kinder mit Adipositas (BMI über der 97. Perzentile) oder mit Übergewicht und relevanten Begleiterkrankungen wie Insulinresistenz oder Bluthochdruck.
  • Dauer: Sie sollten über einen längeren Zeitraum von mindestens 12 Monaten durchgeführt werden, um nachhaltige Erfolge zu erzielen.

Medikamentöse Therapie
In seltenen Fällen, wenn andere Maßnahmen nicht greifen und die Adipositas extrem ausgeprägt ist, kann eine medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden. In Deutschland ist Orlistat das einzige Medikament, das für Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen ist. Es sollte jedoch nur in Kombination mit einem umfassenden Therapieprogramm und nach sorgfältiger Abwägung der Risiken eingesetzt werden.

Chirurgische Eingriffe
Chirurgische Eingriffe sind bei der Behandlung der Adipositas im Kindes- und Jugendalter die absolute Ausnahme und kommen nur bei extremer Adipositas mit schweren Komplikationen in Betracht, wenn alle anderen Therapieansätze versagt haben. Eine sorgfältige Voruntersuchung und eine intensive Nachsorge sind in solchen Fällen unerlässlich.

Adipositas verstehen – Was Betroffene wissen sollten
Adipositas ist eine ernsthafte Erkrankung, aber sie ist kein Zeichen von „Schwäche“ oder „Versagen“. Die Ursachen sind komplex, und jeder Betroffene kann mit der richtigen Unterstützung gesunde Veränderungen im Leben umsetzen. Besonders der Lebensstil spielt eine zentrale Rolle: Durch gesündere Ernährung und mehr Bewegung kann die Gesundheit langfristig verbessert werden. Wichtig ist dabei Geduld, denn eine nachhaltige Veränderung braucht Zeit.

Mit dem richtigen Fahrplan und der Unterstützung von Ärzten, Therapeuten und der Familie können Kinder und Jugendliche ihr Gewicht erfolgreich reduzieren und so das Risiko für spätere Folgeerkrankungen deutlich senken.

Weiterführende Informationen:
S3-Leitlinie der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter (AWMF-Nr. 050-002)