8.5.1 Harnwegsinfektionen (HWI)

17.11.2024


Häufigkeit
Harnwegsinfektionen (HWI) sind bei Kindern häufig und können unterschiedlich schwere Symptome verursachen. Unkomplizierte Blasenentzündungen (unkomplizierte Zystitis) sind v.a. bei Mädchen aufgrund der kurzen Harnröhre häufig. Bis zum 6. Lebensjahr erleiden über 7% aller Mädchen und etwa 1,6% aller Jungen mindestens eine HWI.

Welche Symptome treten auf?

  • Säuglinge: Bei Säuglingen ist eine Harnwegsinfektion oft schwer zu erkennen, da die Symptome unspezifisch sind. Sie äußern sich häufig durch hohes Fieber, Reizbarkeit, Erbrechen, Trinkschwäche oder verminderte Aktivität. In vielen Fällen sind dies die einzigen Anzeichen einer Infektion.
  • ältere Kinder: Bei älteren Kindern treten bei einer Blasenentzündung die klassischen Symptome wie häufiges Wasserlassen (Pollakisurie), Schmerzen beim Wasserlassen (Dysurie) und Unterbauchschmerzen auf. Auch das erneute Einnässen nach dem Trockenwerden kann auf einen Harnwegsinfekt hinweisen. Bei schwereren Infektionen wie der Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung) treten zusätzlich Fieber, Schüttelfrost und Flankenschmerzen auf, die auf eine Nierenbeteiligung hinweisen.

Erreger
In den meisten Fällen, und insbesondere bei älteren Kindern, wird eine HWI durch das Bakterium Escherichia coli (E. coli) verursacht. Bei Säuglingen sind andere Erreger (Enterokokken, Klebsiellen) häufiger als bei älteren Kindern.

Hinweis: Bei Enterokokken muss kritisch hinterfragt werden, ob sie tatsächlich die Ursache des Harnwegsinfektes sind oder ob sie durch Kontamination des Urins in die Probe gelangt sind.

Diagnostik:

  • Bei Säuglingen, die ihre Blase noch nicht kontrollieren können, kann bei unauffälligem Befund Beutelurin verwendet werden, um einen HWI weitgehend auszuschließen. Bei auffälligem Befund ist eine Urinkultur erforderlich, idealerweise aus Clean-Catch-, Katheter- oder Blasenpunktions-Urin.
  • Bei älteren Kindern mit Blasenkontrolle sollte zur Diagnostik ein sauber gewonnener Mittelstrahlurin verwendet werden. Dieser ist für die Urindiagnostik am zuverlässigsten.

Weiterführende Diagnostik
Bei wiederkehrenden Harnwegsinfekten oder komplizierten Verläufen sollte eine weiterführende Diagnostik (z.B. Ultraschalluntersuchung, Refluxuntersuchung) in Erwägung gezogen werden. Bei anatomischen Auffälligkeiten (z.B. bei vesikoureteralem Reflux) kann eine spezifische Therapie erforderlich sein, um langfristige Nierenschäden zu vermeiden.
In folgenden Situationen ist es sinnvoll, in der nephrologischen Spezialambulanz ein Miktionszystourethrogramm (MCU) anzufertigen:

  • nach der 2. Pyelonephritis
  • nach der 1. Pyelonephritis, wenn Risikofaktoren bestehen (sonografische Harnwegsanomalie, positive Familienanamnese für vesikouretereralen Reflux (VUR), Urosepsis, ungewöhnlicher Erreger)
  • bei rezidivierenden symptomatischen Harnwegsinfekten

Was tun?

Unkomplizierte Zystitis
Sie kann bei älteren Kindern und Jugendlichen oft symptomatisch behandelt werden (z.B. viel trinken, Analgetika), ohne dass eine antibiotische Therapie erforderlich ist. 

Bei schweren Symptomen oder anhaltenden Beschwerden kann eine antibiotische Therapie erforderlich sein. Empfohlen werden folgende Medikamente:

  • Trimethoprim: Mittel der ersten Wahl, wenn eine niedrige Resistenzrate von E. coli (lokal < 20%) gegeben ist.
  • Nitrofurantoin: Geeignet für Zystitiden, da es ausschließlich in der Blase wirkt. Sollte daher nicht bei Pyelonephritis eingesetzt werden. Es ist in Tablettenform erhältlich, außerdem kann in der Apotheke eine Suspension hergestellt werden.
  • Fosfomycin: Kann bei Mädchen ab 12 Jahren als Einmaldosis verabreicht werden.
  • Pivmecillinam: In Skandinavien häufig das Mittel der ersten Wahl, in Deutschland für Zystitiden bei Kindern ab 6 Jahren zugelassen.

Pyelonephritis
Eine Pyelonephritis muss antibiotisch behandelt werden.

  • Antibiotika: Die Therapie sollte mit Cefixim oder Cefpodoxim begonnen werden. Amoxicillin plus Clavulansäure wird nicht mehr routinemäßig empfohlen, da es das Wirkspektrum im Vergleich zu den genannten Alternativen nicht erweitert.
  • Therapiedauer: Neuere Empfehlungen verkürzen die Behandlungsdauer auf 7–10 Tage. Studien haben gezeigt, dass kürzere Behandlungszeiträume genauso wirksam sind wie längere Therapien.

Eine unkomplizierte Pyelonephritis kann bei gutem Allgemeinzustand und ab dem 4.–6. Lebensmonat ambulant behandelt werden. Nach Erhalt des Ergebnisses der Urinkultur sollte die Therapie entsprechend dem Erreger und dessen Resistenzmuster angepasst werden.

Weiterführende Informationen:
S2k-Leitlinie Harnwegsinfektionen im Kindesalter - Diagnostik, Therapie und Prophylaxe (AWMF Register Nr. 166-004)