8.9.1 Epilepsie

17.11.2024


Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Von einer Epilepsie spricht man, wenn mindestens zwei unprovozierte Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auftreten. Die Anfälle werden durch eine vorübergehende Störung der elektrischen Aktivität des Gehirns verursacht.

Hinweis: In manchen Fällen kann die Diagnose bereits nach einem Anfall gestellt werden, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit für weitere Anfälle besteht, z.B. aufgrund eines auffälligen MRT-Befundes oder charakteristischer EEG-Veränderungen.

Ursachen und Einteilung
Epilepsien können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Man unterscheidet strukturelle, genetische, metabolische, infektiöse und immunologische Auslöser. Häufig bleibt die genaue Ursache jedoch unklar. Die häufigsten Epilepsieformen bei Kindern sind

  • genetisch bedingte Epilepsien: Hierbei handelt es sich um genetische Veränderungen, die das Gleichgewicht der elektrischen Aktivität im Gehirn stören. Beispiele sind die Absence-Epilepsie oder die juvenile myoklonische Epilepsie.
  • strukturelle Epilepsien: Sie entstehen durch strukturelle Veränderungen im Gehirn (Verletzungen, Tumoren, angeborene Fehlbildungen).
  • infektiöse Epilepsien: Epilepsien, die nach Infektionen des zentralen Nervensystems auftreten, z.B. nach einer Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis).
  • immunologische Epilepsien: Epilepsien, die durch Autoimmunerkrankungen ausgelöst werden, bei denen der Körper fälschlicherweise Nervenzellen angreift.

Anfallsformen
Bei Epilepsie werden verschiedene Anfallsformen unterschieden. Die häufigsten Formen bei Kindern sind

  • fokale Anfälle: Sie beginnen in einem begrenzten Bereich des Gehirns und können mit oder ohne Bewusstseinsverlust auftreten.
  • generalisierte Anfälle: Sie betreffen von Anfang an das gesamte Gehirn und äußern sich z.B. als tonisch-klonische Anfälle (mit Verkrampfungen und rhythmischen Zuckungen) oder Absencen (kurze Bewusstseinsaussetzer).

Hinweis: Manche Kinder leiden an verschiedenen Anfallsformen. Hier ist eine genaue Diagnose wichtig, um die richtige Therapie einleiten zu können.

Diagnose
Die Diagnose einer Epilepsie erfordert eine ausführliche Anamnese der Anfallssymptome, ergänzt durch bildgebende Verfahren (z.B. MRT) und eine EEG-Untersuchung. Bei der EEG-Untersuchung wird die elektrische Aktivität des Gehirns gemessen, um Auffälligkeiten zu erkennen, die auf eine Epilepsie hinweisen. In manchen Fällen können genetische Tests oder Blutuntersuchungen helfen, die Ursache zu klären.

Therapiemöglichkeiten
Die Behandlung von Epilepsie hängt von der Art der Anfälle und der Ursache ab. Die häufigsten Behandlungsansätze sind

  • Antiepileptika: Sie verringern die Häufigkeit und Schwere der Anfälle. Gängige Wirkstoffe sind Levetiracetam, Lamotrigin und Valproat. Valproat ist besonders wirksam, sollte aber bei Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter nur mit Vorsicht eingesetzt werden.
  • ketogene Diät: Bei bestimmten therapierefraktären Epilepsien, die nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen, kann eine ketogene Diät hilfreich sein. Dabei handelt es sich um eine fettreiche, kohlenhydratarme Ernährung, die die Anfallsbereitschaft senken kann.
  • Operation: In seltenen Fällen, wenn die Anfälle medikamentös nicht beherrschbar sind und eine fokale Anfallsursache vorliegt, kann eine operative Entfernung des betroffenen Hirnareals erwogen werden.
  • Vagusnervstimulation: Bei schwer behandelbaren Epilepsien kann die Stimulation des Vagusnervs durch einen implantierten Stimulator die Anfallshäufigkeit verringern.

Praktische Tipps für den Alltag
Kinder mit Epilepsie können in der Regel ein weitgehend normales Leben führen, aber es ist wichtig, einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten:

  • regelmäßige Medikamenteneinnahme: Die regelmäßige Einnahme der Medikamente ist entscheidend, um Anfälle zu vermeiden. Eltern sollten auf die genaue Dosierung und Einhaltung der Medikation achten.
  • ausreichend Schlaf: Schlafmangel kann Anfälle begünstigen, daher sollte auf ausreichend Schlaf geachtet werden.
  • Sport und Freizeit: Kinder und Jugendliche mit Epilepsie können in den meisten Fällen Sport treiben. Ausgenommen sind jedoch Sportarten mit hohem Verletzungsrisiko bei einem Anfall, z.B. Schwimmen oder Klettern ohne Aufsicht.

Weiterführende Informationen:
Neubauer, B.A., Hahn, A. Neue Systematik der Epilepsien und aktuelle Therapieempfehlungen. Monatsschrift Kinderheilkunde 167, 299–307 (2019).