8.6.1 Zöliakie

20.12.2024


Was ist Zöliakie?
Die Zöliakie ist eine immunvermittelte Systemerkrankung, die bei genetisch prädisponierten Personen durch den Verzehr von Gluten ausgelöst wird. Sie kann den Magen-Darm-Trakt und andere Organsysteme betreffen. Aufgrund ihrer vielfältigen Erscheinungsform wird sie oft als „Chamäleon der Gastroenterologie“ bezeichnet. 

Welche Symptome treten auf?
Die häufigsten Symptome sind chronischer Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen, Blähungen und Gedeihstörungen. Extraintestinale Manifestationen sind chronische Müdigkeit, unerklärlicher Gewichtsverlust, Kleinwuchs, Muskelschwäche, Osteoporose und neurologische Störungen wie Migräne und Ataxie. Die Zöliakie kann in jedem Lebensalter auftreten. Bei Kindern fallen häufig eine verzögerte Pubertätsentwicklung oder ein verzögertes Wachstum auf.
Unspezifische Symptome wie Eisenmangelanämie, Zahnschmelzdefekte oder erhöhte Leberwerte sind ebenfalls möglich. 
Darüber hinaus kann eine Zöliakie auch asymptomatisch verlaufen und daher oft unerkannt bleiben.

Hinweis: Das unterschiedliche klinische Erscheinungsbild erschwert die Diagnosestellung erheblich.

Risikogruppen und Kontrollintervalle
Bestimmte Personengruppen sollten unabhängig von Symptomen regelmäßig untersucht werden, da sie ein erhöhtes Zöliakierisiko haben:

  • Verwandte ersten Grades von Zöliakie-Patienten
  • Patienten mit genetischen Syndromen wie Down-, Turner- oder Williams-Beuren-Syndrom
  • Personen mit Autoimmunerkrankungen wie Typ-1-Diabetes, Hashimoto-Thyreoiditis, Morbus Addison oder rheumatoider Arthritis
  • Patienten mit unklaren Befunden wie chronischer Eisenmangelanämie, Osteoporose, Wachstumsstörungen oder unerfülltem Kinderwunsch

Diagnostik
Die Diagnose wird serologisch gestellt, gegebenenfalls auch in Kombination mit histologischen oder genetischen Untersuchungen. Eine glutenhaltige Ernährung ist Voraussetzung, um die Diagnose stellen zu können.
Die serologische Bestimmung von Transglutaminase-IgA (TGA-IgA) und Gesamt-IgA ist die initiale Standardmethode. Bei TGA-IgA-Werten über dem 10-Fachen des oberen Normwertes in Kombination mit einem zeitversetzt positivem Endomysium-IgA (EMA-IgA) kann die Diagnose ohne Biopsie gestellt werden.
Grenzwerte oder unklare Befunde erfordern eine Dünndarmbiopsie. Dabei sollten mindestens vier Proben aus dem distalen Duodenum und eine Probe aus dem Bulbus duodeni entnommen werden. Die HLA-Typisierung (HLA-DQ2/DQ8) kann eine Zöliakie ausschließen, wenn diese genetische Prädisposition nicht vorliegt. Sie ist jedoch für die Diagnosestellung nicht zwingend erforderlich.

Therapie
Die einzige wirksame Therapie ist eine lebenslange glutenfreie Diät. Glutenhaltige Getreidesorten wie Weizen, Roggen, Gerste und deren Kreuzungen müssen strikt gemieden werden. Bereits kleinste Mengen Gluten können die Darmschleimhaut schädigen.
Eine qualifizierte ernährungstherapeutische Beratung ist unerlässlich, um die Einhaltung der Diät und eine hohe Lebensqualität zu gewährleisten. Regelmäßige serologische Kontrollen und die Überwachung der klinischen Symptomatik sind Teil des Langzeitmanagements. Bei Bedarf können erneute Biopsien erforderlich sein.

Besonderheiten in der Betreuung
Zöliakie erfordert eine lebenslange Anpassung des Lebensstils. Insbesondere für Kinder und Jugendliche stellt die Integration der glutenfreien Ernährung eine Herausforderung dar. Unterstützende Maßnahmen durch spezialisierte Zentren, Selbsthilfegruppen und Ernährungsfachkräfte können helfen, die Diät im Alltag umzusetzen und soziale Einschränkungen zu minimieren.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachärzten, Ernährungsfachkräften und den betroffenen Familien ist entscheidend, um die Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und effektiv zu behandeln.

Weiterführende Informationen:

Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)

Neue Leitlinie zur Diagnosestellung der Zöliakie bei Kindern (ESPHGAN)