5.4 Kleinkindalter

30.06.2024


Kinder erlernen das Essen ähnlich wie das Sprechen durch eigenes Tun, Nachahmung und in Beziehung und Interaktion mit ihren Eltern. Eltern können die Regulationsfähigkeit des Kindes für Hunger und Sättigung stärken und die Akzeptanz für neue Lebensmittel fördern. 

Fester Rhythmus
Es wird empfohlen, dass Kleinkinder ihre Mahlzeiten in einem regelmäßigen Rhythmus bekommen, z.B. drei Hauptmahlzeiten und zwei kleinere Zwischenmahlzeiten. 
Mahlzeiten sollten sich mit essensfreien Zeiten abwechseln. In den Zeiten zwischen Haupt- und Zwischenmahlzeiten sollten außer Wasser und ungesüßten Getränken keine Milchprodukte angeboten werden. 

Atmosphäre beim Essen
Es ist wünschenswert, dass das Kind so oft wie möglich gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern isst. Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Familienernährung kann den Nährstoffbedarf des Kleinkindes decken.
Die Mahlzeiten sollten in einer freundlichen Atmosphäre mit genügend Zeit und Ruhe eingenommen werden, um Ablenkungen zu vermeiden. Bildschirmmedien sollten ausgeschaltet sein. Eltern sollten das selbstständige Essen unterstützen, sobald das Kind dazu in der Lage ist.

Kinder entscheiden selbst
Eltern sollten für eine ausgewogene Ernährung sorgen und dem Kind die Entscheidung überlassen, wie viel es davon essen möchte. Dabei sollten sie auf die Hunger- und Sättigungssignale des Kindes achten.
Zunächst sollten Eltern eine kleine Portion anbieten und das Kind kann nachfordern, bis es satt ist. Wenn das Kind sich selbst bedient, sollte es dazu angehalten werden, zuerst eine kleine Portion zu nehmen.
Eltern sollten ihre Kinder zum Essen ermutigen, aber nicht durch Tricks, Überredung, Versprechen oder Spiele dazu zwingen. Essen sollte weder als Belohnung noch als Bestrafung eingesetzt werden. Wenn das Kind die Mahlzeit vorzeitig beendet oder nicht essen möchte, genügt es, das Kind ein- bis zweimal zu ermutigen. Eltern sollten keine zusätzlichen Speisen als Ersatz anbieten.

Neue Lebensmittel ausprobieren
Eltern sollten für ein vielfältiges Angebot sorgen und Kinder ermutigen, neue Lebensmittel und Speisen auszuprobieren. Neue Lebensmittel und Speisen wie Gemüse, Obst und Vollkornprodukte sollten mehrfach und ohne Zwang angeboten werden. Eine mögliche zeitweilige Ablehnung des Kindes sollte akzeptiert werden, da wiederholtes Probieren die Akzeptanz von neuen Lebensmitteln und Speisen erhöht.

Durch eine gezielte Auswahl der Lebensmittel schaffen Eltern gute Rahmenbedingungen für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung ihres Kindes und schonen die Umwelt.
Die Empfehlungen für eine ausgewogene und abwechslungsreiche Familienernährung gelten ebenso für Kleinkinder mit erhöhtem Allergierisiko. 

Ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung
Die empfohlene Ernährung für Kleinkinder und Familien sollte folgendes enthalten:

  • ausreichend: Getränke, am besten Wasser oder andere ungesüßte und zuckerfreie Getränke
  • ausreichend: pflanzliche Lebensmittel wie Gemüse, Obst, Getreide und Getreideprodukte (einschließlich Vollkorn), Kartoffeln, Hülsenfrüchte und Nüsse (gemahlen oder als reines Nussmus)
  • in Maßen: tierische Lebensmittel wie Milchprodukte, Fleisch, Fisch und Eier
  • möglichst sparsam: Zucker und Süßigkeiten, (jodiertes) Salz, Fette mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren sowie Snackprodukte

Vorsicht: Nüsse, Mandeln und andere harte Lebensmittelstücke wie Wurzelgemüse in Erdnussgröße bergen eine Erstickungsgefahr und sollten für Kleinkinder unzugänglich sein.

Flüssigkeit
Kleinkinder sollten regelmäßig zu den Mahlzeiten und auch zwischendurch Wasser (oder andere ungesüßte/zuckerfreie Getränke) aus einem Becher trinken.
Eine ausgewogene Ernährung gesunder Kleinkinder kann ohne speziell für Kinder entwickelte Produkte erreicht werden. 
Wenn Mutter und Kind dies wünschen, kann auch im Kleinkindalter weitergestillt werden.

Vegetarische Ernährung
Eine ausgewogene vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milchprodukten und Eiern kann den Nährstoffbedarf des Kleinkindes decken. Dabei sollte insbesondere auf eine ausreichende Zufuhr von Eisen und Zink geachtet werden.

Vegane Ernährung
Wenn sich Eltern entgegen den Empfehlungen für eine vegane Ernährung ihres Kindes entscheiden, sollten sie Vitamin B12 und gegebenenfalls weitere Nährstoffe durch die Einnahme von Supplementen ergänzen. Die Versorgung mit kritischen Nährstoffen sollte ärztlich überprüft und die Eltern individuell beraten werden.

Wichtig: Eine vegane Ernährung ohne adäquate Supplementierung von Nährstoffen kann zu einem Nährstoffmangel führen und bei längerer Dauer die kindliche Entwicklung schädigen. 

Infektionsprophylaxe und Hygiene
Um Infektionen und Vergiftungen durch Lebensmittel bei Kleinkindern zu vermeiden, sollten rohe tierische Lebensmittel vermieden werden. Dazu gehören rohes oder nicht durchgebratenes Fleisch, Rohwurst, roher Fisch, Rohmilch und Weichkäse aus Rohmilch, rohe Eier und daraus hergestellte, nicht ausreichend erhitzte Lebensmittel. Es wird empfohlen, warme Speisen bald nach der Zubereitung zu verzehren. Es ist wichtig, bei der Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln die allgemeinen Hygieneregeln zu beachten.

Ausschluss von bestimmten Nahrungsmitteln
Nahrungsmittel sollten nur auf der Grundlage einer gesicherten ärztlichen Diagnose langfristig aus der Ernährung ausgeschlossen werden. Der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie oder -unverträglichkeit rechtfertigt nicht den Ausschluss außerhalb der diagnostischen ärztlichen Abklärung. Dies kann Kinder erheblich belasten und ihrer Gesundheit schaden.

Neurodermitis
Auch Kinder mit Neurodermitis sollten potenziell allergieauslösende Nahrungsmittel nur dann meiden, wenn eine allergische Reaktion gegen diese Nahrungsmittel ärztlich festgestellt wurde. Bei einer Nahrungsmittelallergie muss das allergieauslösende Nahrungsmittel jedoch strikt gemieden werden.

Zöliakie
Bei einer Zöliakie muss Gluten strikt gemieden werden.

Fruktosemalabsorption
Bei einer Nahrungsmittelunverträglichkeit, wie zum Beispiel einer Fruktosemalabsorption, ist die individuell vertragene Menge unterschiedlich. Die Zufuhr von fruktose- und sorbithaltigen Lebensmitteln sollte begrenzt werden. Die Ernährung sollte trotz notwendiger Diät ausgewogen und abwechslungsreich sein, um den Bedarf an Energie und Nährstoffen zu decken. Eine qualifizierte fachliche Beratung ist empfehlenswert.

 

Bewegung und Ruhe im Kleinkindalter

Körperliche Aktivität im Kleinkindalter ist wesentlich für die Entwicklung. Jedes Kind profitiert von Bewegung. 
Der natürliche Bewegungsdrang von Kleinkindern sollte nicht eingeschränkt werden. Daher sollten sie so viel wie möglich und besonders draußen in Bewegung sein. Kleinkinder sollten sich auf vielfältige Weise bewegen, zum Beispiel durch aktives Spiel, Bewegung nach Rhythmen und mit dem Ball.

Eltern von Kindern mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten können in Absprache mit Ärzten oder Physiotherapeuten individuelle Bewegungsaktivitäten finden.

Eltern sollten die Bewegungserfahrungen ihrer Kleinkinder aktiv unterstützen. Dazu gehört beispielsweise das Einbauen von Bewegung in den Alltag und das Schaffen von vielfältigen Bewegungsanreizen. Es ist wichtig, dass sie genügend Zeit und sichere Räume für die Bewegung des Kindes schaffen, Bewegungserfahrungen mit anderen Kindern ermöglichen und Familienangebote wie Eltern-Kind-Turnen und andere Bewegungsangebote für Kleinkinder nutzen.

Eltern sollten die selbstgewählten körperlichen Aktivitäten ihrer Kinder nicht unterbrechen, solange keine ernsthaften Gefahren drohen. Es ist wichtig, dass Kinder lernen, mit Herausforderungen und Risiken kompetent umzugehen.

Längere Sitzzeiten sollten unterbrochen werden und unnötige Sitzzeiten, zum Beispiel im Buggy oder Hochstuhl, sollten vermieden werden.
Die Nutzung von Bildschirmmedien wird für Kleinkinder nicht empfohlen. Eltern sollten dem Kind regelmäßige Ruhe- und Schlafzeiten ermöglichen, wobei sie den individuellen Bedarf des Kindes berücksichtigen sollten.

Weiterführende Informationen:

Abou-Dakn, M., Alexy, U., Beyer, K. et al. Ernährung und Bewegung im Kleinkindalter. Monatsschrift Kinderheilkunde 171 (Suppl 1), 7–27 (2023)