14.2.2 „Jungfernhäutchen“

30.06.2024


Das Hymen ist ein Schleimhautkranz im Bereich des Übergangs von der Vulva zur Vagina. Oftmals wird es fälschlicherweise als „Jungfernhäutchen“ bezeichnet.

Die Ausprägung dieser Schleimhautfalte variiert individuell und lässt keine Rückschlüsse auf das Alter, sexuelle Erfahrungen oder gar vergangene Geburten zu.

Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass das Hymen die Vagina versiegelt und beim ersten penetrativen Geschlechtsakt zerstört wird. Solche Vorstellungen führen zu medizinisch unzulänglichen Praktiken wie den sogenannten „Jungfrauentests“, die von der Weltgesundheitsorganisation und den Vereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung eingestuft werden. 
Diese Tests, Revirginalisierungen und weibliche Genitalverstümmelungen haben oft schwerwiegende Konsequenzen für die betroffenen Frauen und Mädchen.

Merke: Das Hymen ist kein verschließendes Häutchen und ist nicht durchblutet. Aus diesem Grund kann es nicht zu Blutungen kommen, wenn das Hymen einreißt. 

Hinweis: In der ärztlichen Praxis führen solche Missverständnisse dazu, dass junge Frauen, die als „Virgo intacta“ gelten, oft keine angemessene gynäkologische Untersuchung erhalten. Dies kann zu einer unzureichenden Diagnostik führen.

Blutung beim ersten Geschlechtsverkehr
Blutungen beim ersten penetrativen vaginalen Geschlechtsverkehr sind in nur etwa 25 % der Fälle zu beobachten und stehen nicht in direktem Zusammenhang mit dem Hymen, sondern eher mit Verletzungen in der Vagina oder Vulva.

Stellenwert in Strafprozessen
In Strafprozessen, insbesondere bei der Untersuchung von Sexualdelikten, hat das Vorhandensein eines intakten Hymens keinen diagnostischen Wert. Forensische Untersuchungen konzentrieren sich stattdessen auf den Nachweis von Sperma, Textilfasern oder übertragenen Vaginalzellen sowie auf die Übereinstimmung von Spuren mit den Aussagen.

Hymenalrekonstruktion
Es gibt Angebote von Praxen oder Kliniken (selbst in Deutschland) für Eingriffe zur künstlichen Wiederherstellung der Jungfräulichkeit. Bei der sog. Hymenrekonstruktionen wird vaginale Haut operativ zusammengenäht. Durch eine Penetration reißt die Naht wieder auf, sodass eine künstliche Wunde geschaffen wird, aus der es bluten kann. Dieser Eingriff kostet bis über 3 000 Euro.

Falsche Darstellung in Lehrbüchern
In Schulbüchern großer deutscher Verlage werden das Hymen („Jungfernhäutchen“), die Klitoris (als „Erbse“ dargestellt) und die Vulvalippen („Schamlippen“) nicht korrekt dargestellt und erläutert. Die Verlage Klett, Cornelsen und Westermann haben zumindest inzwischen Verbesserungen vorgenommen, um ein korrektes Verständnis und eine angemessene Darstellung dieser anatomischen Strukturen zu gewährleisten.

Fakten zum Thema Hymen

  • Das Hymen ist ein weicher Saum, der den Scheideneingang umgibt. Es kann unterschiedlich aussehen, schmaler oder breiter, fester oder weicher sein.
  • Das Hymen verschließt den Eingang zur Scheide nicht, sondern umgibt ihn nur.
  • Viele Mädchen bluten nicht beim ersten Mal.
  • Das Hymen kann nicht durch Sport verletzt werden, da es weich ist und sich im Körperinneren befindet.
  • Durch die Benutzung eines Tampons kann man sich nicht selber entjungfern.
  • Kein Mann oder Junge kann beim Sex fühlen, ob ein Mädchen noch Jungfrau ist. Selbst der Arzt kann das nicht einschätzen.

Weiterführende Informationen:

Broschüre Jungfernhäutchen. 2011 TERRE DES FEMMES – Menschenrechte für die Frau e.V. 

Mishori, R., Ferdowsian, H., Naimer, K. et al. The little tissue that couldn’t – dispelling myths about the Hymen’s role in determining sexual history and assault. Reprod Health 16, 74 (2019)

11KM: der tagesschau-Podcast: Mythos Jungfernhäutchen – Die etwas andere Weihnachtsgeschichte