11.1 Verdauung und Ernährung

25.06.2024


Mythos Nr. 1: Cola und Salzstangen helfen bei akuter Gastroenteritis
Bei einem Magen-Darm-Infekt ist es wichtig, den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Es ist jedoch ein Irrglaube, dass Cola und Salzstangen dazu geeignet sind. Cola enthält wenig Elektrolyte und viel Zucker, was die Symptome eines Magen-Darm-Infekts verschlimmern kann. Auch Salzstangen bieten nicht die notwendige Ausgewogenheit an Elektrolyten. Daher sind diese Lebensmittel für die Behandlung eines Magen-Darm-Infekts nicht empfehlenswert.

Stattdessen sind Suppe, Brühe und Wasser einfache und wirksame Hausmittel. Sie helfen, Flüssigkeit wieder aufzufüllen und bieten gleichzeitig wichtige Nährstoffe.
Neben diesen Hausmitteln gibt es auch die Möglichkeit, spezielle Elektrolytlösungen zu verwenden, die man in der Apotheke kaufen kann. Diese sind besonders darauf abgestimmt, den Elektrolythaushalt effektiv zu regulieren.

Mythos Nr. 2: Viel Trinken bei Obstipation
Die gängige Annahme, dass eine hohe tägliche Trinkmenge für alle Menschen notwendig ist, wird oft infrage gestellt. Die Empfehlung, etwa 2 Liter Wasser pro Tag zu trinken, basiert mehr auf traditioneller Überlieferung als auf wissenschaftlicher Evidenz. Interessanterweise gibt es keine Studien, die diesen spezifischen Bedarf für Erwachsene bestätigen.

Hinweis: Oft wird die Flüssigkeitsaufnahme aus Kaffee, Tee sowie bestimmten Alkoholzubereitungen nicht berücksichtigt, obwohl sie tatsächlich zur Gesamtflüssigkeitsaufnahme beitragen. Diese Getränke wurden früher wegen ihrer diuretischen Effekte ausgeschlossen, aber neuere Erkenntnisse zeigen, dass sie durchaus zum täglichen Flüssigkeitsbedarf beitragen können.

Der menschliche Körper, egal ob bei Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen, reguliert seinen Flüssigkeitshaushalt sehr genau und das Durstgefühl dient als wichtiger Indikator für den Bedarf an Flüssigkeit. Heutzutage sind sich Experten einig: Der Körper ist gut in der Lage, den Flüssigkeitsbedarf über das Durstgefühl zu steuern. 1200–1500 ml Flüssigkeit pro Tag sind für die meisten Menschen ausreichend.

Studien zeigten, dass eine zusätzliche Wasseraufnahme von 1–2 Litern pro Tag bei gesunden Probanden lediglich zu einer erhöhten Urinproduktion, aber nicht zu einer Veränderung der Stuhlfrequenz führte. Ähnliche Ergebnisse wurden sowohl bei Kindern im Alter von 2–12 Jahren als auch bei Erwachsenen festgestellt, die an Verstopfung litten. Eine Erhöhung der täglichen Wasseraufnahme um 50% hatte keinen Einfluss auf die Stuhlfrequenz oder Stuhlkonsistenz.

Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die allgemeine Empfehlung, zur Behandlung von Verstopfung mehr Wasser zu trinken, wenig wirksam zu sein scheint. Es scheint, dass eine übermäßige Wasseraufnahme hauptsächlich zu einer erhöhten Urinausscheidung führt, ohne andere gesundheitliche Vorteile zu bieten.

Mythos Nr. 3: Beikost und Zöliakie
Die Annahme, dass die späte Einführung bestimmter Lebensmittel im Säuglingsalter Nahrungsmittelallergien sowie eine Zöliakie, verhindern kann, war in der Vergangenheit weitverbreitet. 

Eine epidemiologische Studie aus Schweden im Jahr 2000 zeigte jedoch eine signifikante Zunahme der Zöliakieinzidenz bei Kindern, die glutenhaltige Nahrung erst nach dem 6. Lebensmonat erhielten. Diese Beobachtung stand im Gegensatz zu den niedrigeren Zöliakieraten, die zuvor verzeichnet wurden, als Beikost üblicherweise bereits nach 4 Monaten eingeführt wurde.

Die Studie von Lionetti et al. (2014) zeigte, dass die verzögerte Einführung von Gluten bei Kindern mit genetischem Risiko weder das Zöliakierisiko modifizierte noch das Risiko einer späteren Zöliakieentwicklung verminderte. Die Studie umfasste 707 Kinder, die mindestens einen Verwandten ersten Grades mit Zöliakie hatten, und verglich zwei Gruppen: Die eine Gruppe begann mit der Gluteneinführung im Alter von 12 Monaten, die andere im Alter von 6 Monaten. Mit 5 Jahren zeigten beide Gruppen ähnliche Zöliakie-Raten, was darauf hindeutet, dass eine späte Einführung von Gluten lediglich zu einer späteren Manifestation der Krankheit führt, aber das Risiko nicht reduziert.

Eine weitere Studie mit 944 Kindern aus Risikofamilien untersuchte den Effekt der Gluteneinführung zwischen der 16. und 24. Woche im Vergleich zu einer späteren Exposition (Vriezinga et al., 2014). Die Ergebnisse zeigten, dass es mit 3 Jahren keinen Unterschied bezüglich der Zöliakieinzidenz zwischen den Gruppen gab. Auch die Muttermilchernährung hatte keinen Einfluss.

Diese Erkenntnisse haben zu einer Änderung in den Leitlinien geführt. Heute wird generell empfohlen, Beikost frühzeitig (ab dem 4. bis spätestens zum 6. Lebensmonat) einzuführen. Das Konzept der frühen Einführung von potenziell allergenen Lebensmitteln zielt darauf ab, das Immunsystem des Kindes zu trainieren und das Risiko von Allergien zu verringern (Theorie der Immuntoleranzentwicklung). 

Mythos Nr. 4: Beikosternährung und Schlafqualität
Die aktuellen Empfehlungen zur Säuglingsernährung raten dazu, Kinder für mindestens 4–6 Monate ausschließlich mit Muttermilch zu ernähren, bevor schrittweise Beikost eingeführt wird. Es gibt jedoch Diskussionen über die Dauer des Stillens und dessen Vorteile für das Kind. Ein häufiges Thema in dieser Diskussion ist der Einfluss des Stillens auf den Schlafrhythmus der Säuglinge.

Eine britische Studie untersuchte den Einfluss einer frühen Beikosteinführung auf das Schlafverhalten (Perkin et al., 2018). Die Autoren folgern, dass die frühe Einführung von Beikost einen kleinen, aber signifikanten Effekt auf die Schlafqualität und -dauer der Säuglinge hat. Dieses Ergebnis liefert ein weiteres Argument für die Empfehlung, mit der Einführung von Beikost ab dem 4. Lebensmonat zu beginnen. Es deutet darauf hin, dass eine frühere Beikosteinführung neben der Ernährung auch positive Auswirkungen auf das Schlafverhalten der Säuglinge und damit auf das Wohlbefinden der ganzen Familie haben kann.

Weiterführende Informationen:

Wirth, S. Mythen in der pädiatrischen Gastroenterologie und Ernährung. Monatsschrift Kinderheilkunde 166, 1087–1089 (2018)