Mythos Nr. 1: Wasser ist schlecht für die Haut
In der akuten Krankheitsphase haben die Betroffenen oft exsudative Ekzeme. Hier kann das Baden vorteilhaft sein, denn es führt zu einer schnellen Hydratisierung der Haut, entfernt Sekret, reduziert die Keimzahl und kann durch Verdunstung den Juckreiz lindern. Dies gilt besonders für Säuglinge und Kleinkinder.
In der chronischen Krankheitsphase ist die Haut meistens trocken. In dieser Phase kann häufiges Baden kontraproduktiv sein, da es die Haut weiter austrocknen kann.
Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen allerdings, dass tägliches Baden nicht notwendigerweise mit einer Zunahme der Krankheitsschwere verbunden ist. Daher sollte Patienten mit atopischem Ekzem das Baden oder Duschen nicht grundsätzlich abgeraten werden. Studien deuten zudem darauf hin, dass es keinen signifikanten Unterschied darin gibt, ob die Betroffenen zweimal wöchentlich oder täglich baden. Um einer Austrocknung der Haut vorzubeugen, können kurze Badezeiten (etwa 5 Minuten) und die Verwendung von Badeölen hilfreich sein. Für eine effektive Reinigung sollte die Haut gründlich, aber schonend und sorgfältig gereinigt werden. Krusten sollen entfernt und bakterielle Verunreinigungen beseitigt werden.
Insgesamt ist es wichtig, die Badehäufigkeit und -methode an den aktuellen Zustand der Haut und die Phase des Ekzems anzupassen.
Mythos Nr. 2: Antiseptische oder rückfettende Badezusätze sind notwendig
Bei Kindern mit atopischem Ekzem ist die bakterielle Kolonisationsdichte auf der Haut erhöht. Trotz Versuchen, die Keimzahl mit Antibiotika oder Antiseptika zu reduzieren, zeigt die Forschung, dass solche Maßnahmen ineffektiv sind. Die aktuelle Empfehlung fokussiert sich auf eine konsequente antiinflammatorische Therapie mit topischen Kortikosteroiden, da diese am effektivsten die Keimzahl reduzieren. Eine Kombination mit Antibiotika bringt keinen zusätzlichen Nutzen und eine prophylaktische antibiotische oder antiseptische Behandlung wird nicht empfohlen. Badezusätze sind ebenfalls nicht erforderlich.
Mythos Nr. 3: Zucker ist schlecht für die Haut
Die weitverbreitete Meinung, dass Zucker atopisches Ekzem verschlimmert und Kindern mit dieser Erkrankung daher Süßigkeiten verwehrt werden sollten, ist wissenschaftlich nicht belegt.
Studien zeigen keinen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und dem Schweregrad des Ekzems. So ergaben Untersuchungen bei Erwachsenen mit atopischem Ekzem keine Unterschiede in den Ernährungsgewohnheiten im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe. Eine Studie (2017), bei der Zucker bewusst zugeführt wurde, zeigte keine Verschlechterung des Ekzems oder Anzeichen für Entzündungsreaktionen im Blut.
Daher ist es nicht notwendig, Kindern mit atopischem Ekzem Süßigkeiten vorzuenthalten. Eine ausgewogene Ernährung ist empfehlenswert, und der gelegentliche Konsum von Süßigkeiten ist unbedenklich.
Mythos Nr. 4: Das atopische Ekzem beruht auf einer Nahrungsmittelallergie
Die Annahme, dass atopisches Ekzem hauptsächlich durch Nahrungsmittelallergien verursacht wird und deren Eliminierung das Problem löst, ist ein weitverbreiteter Mythos. Diese Überzeugung führt oft zu unnötiger und umfangreicher Diagnostik sowie zu falschen Diäten, was sowohl Ressourcen als auch Gelegenheiten für angemessene medizinische Maßnahmen verschwendet.
Obwohl spezifische IgE-Antikörper gegen Nahrungsmittel bei 17–20 % der Menschen vorkommen, haben nur 2–6 % der Säuglinge und Kleinkinder und 1–2 % der Erwachsenen tatsächlich Nahrungsmittelallergien. Bei Kindern mit schwerem atopischem Ekzem steigt das Risiko etwas an.
Kinder mit atopischem Ekzem sollten 4 Monate voll gestillt werden und ab dem 5. Monat eine vielfältige Beikost erhalten. Prolongiertes Stillen bietet keinen Schutz vor einem atopischen Ekzem. Allergietests sollten nur bei Verdacht durchgeführt und fragwürdige Ergebnisse müssen durch eine orale Provokation bestätigt werden.
Mythos Nr. 5: Nahrungsergänzungsmittel sind sinnvoll und hilfreich
Nahrungsergänzungsmittel wie Zinksulfat, Selen, Vitamin D, Vitamin E, Linolensäure und Fischöl werden häufig als natürliche Alternativen zur Behandlung eines atopischen Ekzems beworben und sind bei vielen Eltern beliebt. Trotz der Werbung in Publikumszeitschriften und der Verfügbarkeit in Apotheken zeigen kontrollierte Studien (Bath-Hextall et al., 2012), dass diese Mittel bei atopischem Ekzem keine ausreichende Wirksamkeit haben.
Wichtig: Eine nicht indizierte Einnahme von Zink kann zu ernsthaften hämatologischen oder neurologischen Nebenwirkungen führen.
Daher ist eine Zinksubstitution nur bei nachgewiesenem Zinkmangel und nur für einen begrenzten Zeitraum von 4–6 Wochen ratsam.
Im Allgemeinen haben Zink und andere Spurenelemente oder Nahrungsergänzungsmittel keinen Einfluss auf den Verlauf des atopischen Ekzems und sind somit nicht zu empfehlen.
Mythos Nr. 6: Kortison ist Gift
Die weitverbreitete Angst vor Nebenwirkungen topischer Kortikosteroide, bekannt als Kortikophobie, ist besonders bei Eltern von Kindern mit atopischem Ekzem ein großes Problem. Diese Befürchtungen werden oft durch Missverständnisse und Fehlinformationen aus verschiedenen Quellen verstärkt.
Merke: Topische Kortikosteroide und Calcineurininhibitoren sind bei richtiger Anwendung sicher und wirksam in 95 % der Fälle von atopischem Ekzem.
Geeignete Präparate
Ein verantwortungsvoller Umgang mit topischen Kortikosteroiden ist wichtig. Sie sollten basierend auf ihrem therapeutischen Index, welcher das Verhältnis von Wirksamkeit zu Nebenwirkungen misst, ausgewählt werden. Nur topische Kortikosteroide mit einem Index von 2,0 oder höher sind für Kinder geeignet. Beispiele hierfür sind Methylprednisolon, Prednicarbat und Mometason.
Therapiedauer
Die Anwendung dieser Medikamente sollte schrittweise erfolgen: anfangs im Schub täglich für 1–2 Wochen, dann alle zwei Tage für weitere 2 Wochen und schließlich zweimal pro Woche für 3–6 Wochen. Bei erneuten Ekzemschüben kann eine proaktive Anwendung 2- bis 3-mal pro Woche über 3–6 Monate sinnvoll sein.
Wichtig: Eine gründliche Aufklärung und Schulung der Eltern sind entscheidend für den erfolgreichen Einsatz dieser Medikamente.
Mythos Nr. 7: Homöopathie hilft
Die Wirksamkeit von Homöopathika bei der Behandlung von atopischem Ekzem und anderen Krankheiten ist ein Mythos, der auf dem Placeboeffekt beruht.
Trotz der Feststellung von The Lancet im Jahr 2005, dass Homöopathie unwirksam ist und der Aufforderung an Ärzte, ihre Patienten ehrlich über diese Ineffektivität aufzuklären, bleibt die Nutzung von Homöopathika in einigen Ländern wie Deutschland, Österreich und Frankreich hoch. Bei Kindern mit atopischem Ekzem werden oft alternative Heilmethoden eingesetzt, wobei Homöopathika und pflanzliche Substanzen die häufigsten sind.
Die Beschreibung der Homöopathie als „sanft“ ist irreführend, da wirksame und verträgliche Behandlungen unterlassen werden. Dies verlängert nicht nur das Leiden der Kinder, sondern kann auch langfristige psychische Auswirkungen haben. Ferner können homöopathische Mittel gefährliche Nebenwirkungen haben, wie Berichte über Todesfälle bei Säuglingen in den USA zeigen (2018).
Entgegen der Annahme, dass Homöopathie kostensparend sei, ist sie tatsächlich teurer als evidenzbasierte Behandlungen und oft ineffektiv. Verschiedene Regierungs- und Wissenschaftsorganisationen haben die Homöopathie als unwirksam eingestuft. In Deutschland allerdings wird die Homöopathie nach wie vor anerkannt und gefördert.
Die Empfehlung lautet daher, sich auf medizinische Betreuung zu konzentrieren, die evidenzbasiert ist und nachweislich Nutzen bringt, ohne den Patienten zu schaden. Dieser Ansatz, bekannt als „Choosing wisely“, setzt auf Behandlungen, die notwendig und nachweislich wirksam sind.
Weiterführende Informationen: