Mythos Nr. 1: Die (sog.) schlafwandlerische Sicherheit
Schlafwandeln (Somnambulismus) ist ein Phänomen, das oft missverstanden und von Mythen umgeben ist. Anders als in Comics dargestellt, gibt es keine typischen Merkmale, die Betroffenen wandeln z.B. nicht mit vorgestreckten Armen umher. Auch die Vorstellung, dass Schlafwandler eine besondere Sicherheit besitzen und nicht abstürzen, solange sie nicht angesprochen oder geweckt werden, ist leider nicht zutreffend. Tatsächlich können Schlafwandler in gefährliche Situationen geraten, und aus Fenstern oder vom Balkon anstürzen.
Auftreten von Schlafwandeln
Schlafwandeln tritt in der Phase des NREM-Schlafs (Non-REM, also ohne schnelle Augenbewegungen) auf. Schlafwandler sich frei bewegen, im Gegensatz zum REM-Schlaf, in dem die Muskulatur entspannt ist.
Schlafwandeln kann sich in jedem Lebensalter manifestieren. Eine familiäre Häufung wurde beobachtet. Besonders im Kleinkindalter ist es relativ häufig. In den meisten Fällen kommt es zur Spontanremission.
Umgebung sichern
Die Behandlung von Schlafwandeln konzentriert sich auf die Sicherheit der Betroffenen: z.B. Sichern von Türen und Fenstern, Installation von Bewegungsmeldern. Es ist wichtig, die Umgebung so zu gestalten, dass sie für den Schlafwandler sicher ist und das Risiko von Unfällen reduziert wird.
Mythos Nr. 2: Der Schlaf vor Mitternacht ist besonders wertvoll
Die verbreitete Meinung, dass der Schlaf vor Mitternacht besonders erholsam sei, ist nicht pauschal richtig. Vielmehr ist der erste Schlafzyklus, der einen hohen Tiefschlafanteil hat, für die Regeneration wichtig, unabhängig davon, ob er vor oder nach Mitternacht stattfindet. Dies hängt stark vom individuellen Chronotyp und dem Alter ab.
Chronotyp
Der Chronotyp beschreibt das individuelle Schlafmuster einer Person, das von ihrer inneren biologischen Uhr bestimmt wird. Er legt fest, zu welchen Tageszeiten jemand natürlicherweise müde wird und wann die beste Zeit zum Aufwachen ist. Es gibt verschiedene Chronotypen, wobei „Lerchen“ oder Morgenmenschen früh zu Bett gehen und früh aufstehen, während „Eulen“ oder Abendmenschen spät zu Bett gehen und später am Tag aufwachen.
Bei Säuglingen und Kleinkindern fällt die Schlafmitte oft auf Mitternacht. Mit zunehmendem Alter, besonders in der Pubertät, verschiebt sich die Schlafmitte nach hinten, sodass sie bei den meisten Erwachsenen zwischen 3:00 und 5:00 Uhr morgens liegt. Abhängig vom Chronotyp schlafen „Lerchen“ (Morgenmenschen) tendenziell früher und profitieren von Schlaf vor Mitternacht, während „Eulen“ (Abendmenschen) erst nach Mitternacht den nötigen Schlafdruck verspüren und dann die beste Schlafqualität erreichen.
Merke: Der Chronotyp ist weitgehend angeboren und lässt sich nur bedingt willkürlich ändern.
Mythos Nr. 3: Bei Vollmond schläft man schlecht
Die weitverbreitete Annahme, dass Schlafdauer und Schlafqualität in Vollmondnächten beeinträchtigt seien, hat sich in wissenschaftlichen Studien nicht klar bestätigt. Das subjektive Gefühl der „Mondfühligkeit“ spiegelt sich in den Daten nicht deutlich wider.
Studien
Eine große internationale Studie (Chaput et al., 2016) mit über 33 000 Aktimeteraufzeichnungen während Vollmondnächten ergab lediglich eine minimale Reduktion der Gesamtschlafdauer um etwa 5 Minuten, also nur 1% der Gesamtschlafdauer, ohne weitere auffällige Veränderungen. Eine weitere Studie (Smith et al., 2016) in Deutschland mit 1 411 Jugendlichen über 8 832 Untersuchungsnächte zeigte ebenfalls keine signifikanten Unterschiede in der Gesamtschlafdauer oder der Schlafqualität zwischen verschiedenen Mondphasen.
Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Einfluss des Vollmonds auf den Schlaf eher eine kulturelle oder psychologische Vorstellung ist als eine wissenschaftlich belegte Tatsache. Die Idee, dass Kinder oder Jugendliche in Vollmondnächten ähnliche Veränderungen wie „Werwölfe“ erfahren könnten, ist demnach mehr Mythos als Realität.
Mythos Nr. 4: Handystrahlung stört die Schlafqualität
Elektromagnetische Felder und speziell die von Mobiltelefonen ausgehende Strahlung werden oft mit einer Beeinträchtigung des Schlafes in Verbindung gebracht. Einige Menschen glauben, eine Hypersensitivität für Elektromagnetismus zu haben.
Studien
Obwohl viele Bedenken hinsichtlich der Gesundheitsrisiken von elektromagnetischen Feldern, einschließlich der Nähe zu Mobilfunksendern, bestehen, konnten wissenschaftliche Untersuchungen diese Befürchtungen bezüglich des Schlafes nicht bestätigen. Einzelne Studien zeigten zwar subtile Veränderungen der Schlafarchitektur, fanden jedoch keine wesentliche Störung des Nachtschlafs oder der Tagesbefindlichkeit. Randomisierte Studien mit und ohne elektromagnetische Felder oder mit und ohne Abschirmung ergaben keine signifikante Beeinflussung der Schlafqualität.
Das häufige subjektive Empfinden schlechter Schlafqualität ist daher wahrscheinlich nicht auf die elektromagnetischen Felder selbst zurückzuführen, sondern auf die Sorgen um deren Schädlichkeit.
Kinder und Jugendliche
Im Gegensatz dazu kann bei Jugendlichen die Mitnahme von elektronischen Medien und insbesondere von Mobiltelefonen ins Bett sehr wohl die Schlafdauer und -qualität beeinträchtigen. Dies beruht jedoch kaum auf der Strahlung der Geräte, sondern auf anderen Ursachen (z.B. akustische Störungen, erhöhte Wachsamkeit, Blaulichtanteil des Bildschirms). Daher wird empfohlen, Mobiltelefone aus den Schlafräumen von Kindern und Jugendlichen fernzuhalten.
Mythos Nr. 5: Warme Honigmilch fördert das Einschlafen
Auf vielen Gesundheitsseiten im Internet wird behauptet, dass Honig oder warme Honigmilch schlaffördernde Eigenschaften besitzen. Es wird oft empfohlen, Honigmilch zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern zu verwenden. Die angeführte wissenschaftliche Erklärung dafür ist, dass die in Honigmilch enthaltene Aminosäure Tryptophan die Produktion von Serotonin und Melatonin, dem sogenannten Schlafhormon, anregen und damit den Schlaf fördern soll.
Eine Literatursuche in wissenschaftlichen Datenbanken wie PubMed liefert jedoch keine Studien, die diesen Mechanismus in einer kontrollierten Untersuchung bestätigen (Stand 06/2024).
Verbesserung von Husten
Es gibt lediglich zwei Publikationen, die die Wirkung von Honig oder Honigmilch auf Infektionen der oberen Atemwege untersuchen. In diesen Studien konnte eine leichte Reduktion der Hustensymptomatik und dadurch eine Verbesserung der Schlafqualität festgestellt werden.
Subjektives Wohlbefinden
Für Kinder ohne Infektion scheint Honigmilch daher keinen wissenschaftlich belegten schlaffördernden Effekt zu haben. Der positive Effekt von Honigmilch auf den Schlaf könnte eher auf das subjektive Wohlbefinden und die Beruhigung durch ein als angenehm empfundenes Getränk zurückzuführen sein.
Weiterführende Informationen:
Kerbl, R. Mythen in der Pädiatrie: „Schlaf“. Monatsschrift Kinderheilkunde 166, 1090–1093 (2018)