11.7 Zähne

27.06.2024


Die Kariesvorbeugung hat seit den 1960er-Jahren große Fortschritte gemacht, besonders bei bleibenden Zähnen. In Deutschland hat sich die Anzahl von Kariesfällen bei Jugendlichen drastisch reduziert: von durchschnittlich 6–8 betroffenen Zähnen in den 1980ern auf heute nur etwa einen halben Zahn pro Jugendlichen. 
Doch bei Milchzähnen, also den ersten Zähnen von Kindern, ist Karies immer noch ein großes Problem: Etwa 10–17 % der dreijährigen Kinder in Deutschland haben bereits Karies an ihren Milchzähnen. In schweren Fällen müssen die kariösen Zähne sogar in Narkose gezogen werden.

Obwohl Eltern sich natürlich gesunde Zähne für ihre Kinder wünschen, gibt es immer noch viele Irrtümer und Mythen rund um die Zahnhygiene bei Kindern. Daher ist es wichtig, auf richtige Pflege und Aufklärung im Bereich der Kinderzahnheilkunde zu achten.

Mythos 1: Milchzähne haben keine Wurzeln und fallen deshalb aus
Es gibt einen verbreiteten Irrglauben sowohl bei Kindern als auch bei einigen Eltern über das Aussehen von ausgefallenen Milchzähnen. Viele sind überrascht, dass beim natürlichen Ausfall eines Milchzahns meist keine Wurzeln sichtbar sind. 
Milchzähne haben aber Wurzeln. Das Röntgenbild zeigt, dass die anatomische Struktur von Milchzähnen und bleibenden Zähnen gleich ist. Die Wurzeln der Milchzähne werden jedoch resorbiert, wenn der nachfolgende bleibende Zahn durchbricht.
Die Resorption der Milchzahnwurzeln ist ein normaler Teil des Zahnwechsels. 

Mythos 2: Milchzähne muss man nicht gründlich putzen
Frühkindliche Karies, auch als „Early Childhood Caries“ bekannt, kann sich negativ auf die Lebensqualität der betroffenen Kinder auswirken. Die Mundgesundheit beeinflusst nicht nur körperliche und psychische Aspekte, sondern auch das Wachstum, die Sprachentwicklung, das Kauen, Schmecken, die Sozialisation und das soziale Wohlbefinden.

Wenn Milchzähne aufgrund von Karies frühzeitig gezogen werden müssen, kann dies zu einer Einengung der Lücke führen. Es kann sein, dass die nachfolgenden bleibenden Zähne zu wenig Platz haben. Dies zeigt sich beispielsweise in Röntgenbildern. Eine solche Lückeneinengung muss oft mit kostspieligen kieferorthopädischen Behandlungen korrigiert werden.

Daher ist die sorgfältige Pflege der Milchzähne, einschließlich des täglichen Putzens mit fluoridhaltiger Zahnpasta, eine wichtige Präventivmaßnahme. Sie hilft, Karies und deren Folgen zu verhindern und stellt sicher, dass der Übergang zu den bleibenden Zähnen reibungslos verläuft.

Mythos 3: Kindergartenkinder können selbst die Zähne putzen
Kinder benötigen in der Regel auch noch im Grundschulalter die Hilfe ihrer Eltern beim Zähneputzen. Ihre motorischen Fähigkeiten und das Verständnis für gründliche Mundhygiene sind bisher nicht voll entwickelt. Es ist notwendig, Zahnbeläge regelmäßig zu entfernen und fluoridhaltige Zahnpasta zu verwenden, da dies die beste Vorbeugung gegen Karies ist.

Wie entsteht Karies?
Karies entsteht, wenn Bakterien im Mund Zucker in Säuren umwandeln, die den Zahnschmelz angreifen. Durch das Entfernen des Zahnbelags mit der Zahnbürste wird dieser Prozess gestoppt. 

Warum Fluorid?
Fluorid in der Zahnpasta hilft zusätzlich, die Zähne gegen Säuren zu schützen und beschädigten Zahnschmelz zu reparieren. Daher ist das Zähneputzen so wichtig.

Nachputzen der Zähne
Auch wenn Kinder früh anfangen sollten, selbst ihre Zähne zu putzen, um es zu lernen, ist es wichtig, dass Eltern bei jüngeren Kindern, besonders im Grundschulalter, noch einmal gründlich nachputzen. So wird sichergestellt, dass alle Beläge entfernt und die Zähne gut gepflegt sind.

Mythos 4: Schlechte Zähne sind vererbt
Der Mythos, dass Karies genetisch bedingt und damit unvermeidlich sei, hält sich hartnäckig. Glücklicherweise ist dieser Mythos größtenteils falsch. Die erhebliche Reduktion von Karies bei Jugendlichen um 90 % im Vergleich zu früheren Generationen wurde ohne Genetik erreicht. Karies entsteht hauptsächlich durch Verhalten und Lebensstil.

Zwar können genetische Faktoren wie die Form und Stellung der Zähne oder die Zusammensetzung des Speichels das Risiko für Karies leicht beeinflussen, doch das tägliche Verhalten wie gründliches Zähneputzen und eine gesunde Ernährung sind entscheidender. Die wichtigsten Fragen, die über das Risiko für Karies entscheiden, sind: 
Wie und wie oft werden die Zähne geputzt?
Wird der Zahnbelag dabei vollständig entfernt?
Wie oft und wie viel Zucker wird konsumiert?
Wie oft kommen die Zähne mit Fluoriden in Kontakt?

Wichtig: Karies ist vermeidbar!

Fast alle Faktoren, die zur Entstehung von Karies beitragen, lassen sich durch das eigene Verhalten beeinflussen und kontrollieren. Daher ist Karies eine vermeidbare Erkrankung. Die Reduktion von Karies in den vergangenen 30 Jahren zeigt, dass es nicht um genetische Vorbestimmung geht. Die starke Korrelation von Karies mit dem Sozialstatus deutet ebenfalls eher auf verhaltensbedingte Faktoren hin.

Mythos Nr. 5: Fluoride bieten keine Vorteile; sie sind sogar giftig
Der Mythos, dass Fluoride schädlich sind, ist wissenschaftlich widerlegt. Fluoride, oft fälschlicherweise mit giftigem Fluorgas verwechselt, sind ein wichtiger Bestandteil der Kariesprophylaxe. Studien belegen die positive Wirkung von fluoridhaltiger Zahnpasta auf die Zahngesundheit.

Für Säuglinge wird empfohlen, von Geburt bis zum ersten Milchzahn täglich Vitamin D und Fluorid in Tablettenform zu verabreichen. Nach dem Zahndurchbruch sollten Kinder an das Zähneputzen gewöhnt werden, entweder weiterhin mit Vitamin D und Fluoridtabletten ohne Zahnpasta oder durch Zähneputzen mit einer reiskorngroßen Menge fluoridhaltiger Zahnpasta. Fluoridhaltige Zahnpasta wirkt direkt am Zahn, besonders in den Zahnzwischenräumen, die von der Bürste nicht erreicht werden. Ihre Verwendung ist spätestens nach der Vitamin-D-Kombination unerlässlich.

Mythos 6: (Sofort) nach jedem Essen die Zähne putzen
Beim Zähneputzen ist die gründliche Entfernung des Biofilms entscheidend, der jedoch mehr als einen Tag benötigt, um schädlich zu werden. Wichtig ist also eine sorgfältige Reinigung. Das Putzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta fördert zusätzlich die Kariesprophylaxe, besonders an schwer zugänglichen Stellen wie den Zahnzwischenräumen.

Nach säurehaltigen Mahlzeiten sollte auf starken Putzdruck verzichtet werden, um den angegriffenen Zahnschmelz zu schonen. Mindestens einmal täglich sollte gründlich geputzt werden, wobei das zweite Putzen hauptsächlich der zusätzlichen Fluoridierung dient.

Häufige Snacks und süße Getränke fördern ein kariogenes Milieu. Der pH-Wert im Mund normalisiert sich normalerweise innerhalb von 30–60 Minuten nach dem Essen. Wird vor dieser Neutralisierung erneut Zucker konsumiert, kann dies zu kontinuierlicher Demineralisation und Karies führen. Daher ist es besser, Süßigkeiten und süße Getränke hauptsächlich zu den Hauptmahlzeiten zu konsumieren und nicht ständig zwischendurch.

Mythos 7: Der Zahnarztbesuch für kleine Kinder ist nicht nötig
Ein regelmäßiger Zahnarztbesuch mit kleinen Kindern ist enorm wichtig, insbesondere vor dem Hintergrund, dass Karies in Milchzähnen häufig ist. Frühe Vorsorgeuntersuchungen ermöglichen es, die Zahnarztpraxis in einer stressfreien Umgebung kennenzulernen. Dabei kann der Zahnarzt Plaque sichtbar machen, Zahnfleischentzündungen diagnostizieren und frühzeitig auf Mundhygieneprobleme oder beginnende Karies hinweisen, um diese nichtinvasiv zu behandeln.

Kinderärzte spielen eine zentrale Rolle, indem sie Eltern dazu anhalten, ihre Kinder ab dem 6. Lebensmonat zum Zahnarzt zu bringen, um die Mundgesundheit im Milchgebiss zu fördern. Dies wird durch die neuen Vorgaben im Gelben Kinderuntersuchungsheft unterstützt, die Verweise vom Kinderarzt zum Zahnarzt für Kinder zwischen dem 6. und 64. Lebensmonat beinhalten. Zusätzlich sieht das Präventionsgesetz weitere präventive Maßnahmen in der Zahnarztpraxis vor dem 30. Lebensmonat vor.

Weiterführende Informationen:

Mourad, M.S., Vielhauer, A. & Splieth, C.H. Kinderzahnheilkunde: 7 Mythen von der Zahnfee. Monatsschrift Kinderheilkunde 166, 1094–1099 (2018)