4.2 Schlafen im ersten Jahr

20.06.2024


Natürliches Schlafmuster
In den ersten sechs Lebensmonaten durchläuft das Schlafmuster eines Kindes bemerkenswerte Veränderungen. Ursprünglich besteht der Schlaf zu 60% aus aktivem Schlaf, der dem REM-Schlaf (Traumschlaf) bei Erwachsenen ähnelt. Dieser Anteil sinkt bis zum Ende des ersten Lebenshalbjahres auf 25%. Dies ist ein Indikator für die fortschreitende Gehirnentwicklung des Kindes. 

Bei Säuglingen wechseln sich zu Beginn regelmäßig 60-minütige Schlafzyklen ab, die aus Tiefschlaf, leichtem Schlaf und REM-Schlaf bestehen. Zwischen den Wachphasen gibt es Schlafperioden von jeweils 2–4 Stunden.

Gegen Ende des ersten Lebensjahres stellen sich längere und stabilere Schlafperioden ein, die sich verstärkt auf die Nachtzeit konzentrieren. Die Gesamtschlafdauer eines Tages reduziert sich von bis zu 18 Stunden auf etwa 14–15 Stunden, was auch ein bis zwei kurze Nickerchen tagsüber einschließt. Diese Veränderungen im Schlafmuster des Kindes sind ein Zeichen für die Anpassung an den natürlichen, zirkadianen Rhythmus.

Schlafprobleme
Das Schlafverhalten von Säuglingen ist komplex und wird von den Eltern oft unterschiedlich wahrgenommen. Dabei spielt der Schlafrhythmus der Eltern eine große Rolle: Bei Eltern, die früh zu Bett gehen, wird der Schlaf häufiger durch das erwachende Kind unterbrochen, bei Eltern die spät zu Bett gehen, hingegen seltener.

In den ersten Lebensmonaten sind Probleme mit der Selbstregulation des Säuglings keine Seltenheit. Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen, oft verbunden mit anhaltendem Schreien, können besonders nachts eine Herausforderung darstellen. Es ist wichtig, diese Situationen von klassischen Schlafstörungen zu unterscheiden.

Zwischen dem 5. und 12. Monat kann das Einschlafen für Kinder problematisch sein, da sie falsche Einschlafassoziationen entwickeln können, wie beispielsweise das Einschlafen nur mit der Flasche oder im Arm der Eltern.

Wichtig: Das Schlafverhalten von Kindern wird wesentlich durch das Verhalten der Eltern beeinflusst. Übermäßige elterliche Unterstützung kann die Selbstregulation des Kindes beim Schlafen beeinträchtigen (vgl. transaktionales Modell von Sadeh und Anders).

Daher ist es wichtig, dass Eltern über Schlaf informiert sind. Bei Kindern mit Schlafproblemen bestehen oft Wissenslücken. 
In den ersten Monaten sind Kinder auf Unterstützung angewiesen, um einen Tag-Nacht-Rhythmus zu entwickeln. Ab dem 5. Monat können Kinder in der Regel allein einschlafen. Übermäßige Unterstützung durch die Eltern kann die Entwicklung von Selbstregulationsfähigkeiten beim Kind behindern.

Wichtig: Entscheidend für den Einschlafprozess sind die elterliche Konsistenz und die emotionale Verfügbarkeit der Eltern. Zu viel elterliches Engagement beim Zubettgehen kann zu fragmentiertem Schlaf führen.

Es gibt eine Vielzahl von Selbstlernbüchern, die Eltern bei kindlichen Schlafproblemen unterstützen und unterschiedliche Methoden wie „Bed-Sharing“ oder die „graduierte Extinktion“ empfehlen. Allerdings basieren viele Ratgeber nicht auf wissenschaftlich fundierten Studien.

Einschlafritual
Es sollte idealerweise 10–20 Minuten dauern und aus wenigen, aber beruhigenden Schritten bestehen, um dem Kind zu helfen, sich auf den Schlaf vorzubereiten (positive Verhaltenskette).

Wichtig: Ein effektives Einschlafritual ist ein wesentlicher Bestandteil für gesunden Schlaf.

Förderlich für ein gutes Einschlafritual ist es, das Kind immer wach und an den gleichen Schlafplatz zu legen. Dies fördert die Selbstständigkeit beim Einschlafen.
Es sollte eine klare Unterscheidung zwischen Tagesaktivitäten und nächtlicher Versorgung geben. Empfehlenswert ist es, wenn das Licht beim Füttern und Wickeln reduziert ist und Spielangebote in der Nacht vermieden werden. Die Bezugspersonen sollten sich beim Zu-Bett-Bringen abwechseln und ein regelmäßiges, positiv gestaltetes Einschlafritual etablieren.

Ein ideales Einschlafritual sollte nicht länger als 20 bis maximal 30 Minuten dauern und kann 4–7 beruhigende Aktivitäten beinhalten.

Beispiele sind:

  • den Spielsachen und Plüschtieren Gute Nacht sagen und dann mit dem Lieblingsplüschtier ins Bett gehen
  • eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen
  • gemeinsam ein Gute-Nacht-Lied singen

Diese Aktivitäten schaffen eine verlässliche und vorhersagbare Routine, fördern die Bindung und bieten dem Kind Sicherheit und Geborgenheit. 

Wichtig: Diese Einschlafassoziationen sollten auch für das Wiedereinschlafen und das nächtliche Durchschlafen beibehalten werden, da Kinder in der Nacht oft nach der gleichen Beruhigungsmethode suchen.

Häufige Fehler
Das Kind sollte nicht an unterschiedlichen Orten ein- und weiterschlafen.
Nach der letzten Mahlzeit sollte das Kind nicht mehr zu stark aktiviert werden.
Hilfsmittel (z.B. Milchflasche, Arm der Eltern) sollten zum Einschlafen vermieden werden, da dies falsche Einschlafassoziationen fördert. 

Weiterführende Informationen:

Schneider, B., Schlarb, A.A. Schlaf im ersten Lebensjahr. Monatsschrift Kinderheilkunde 165, 301–307 (2017)