4.9 Melatonin

20.06.2024


Was ist Melatonin?
Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse des Gehirns gebildet wird und wesentlich für den Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist. Es entsteht aus L-Tryptophan und wird durch Dunkelheit aktiviert. Melatonin wurde 1958 entdeckt. 1998 wurde es erstmals bei kindlichen Schlafstörungen eingesetzt.

Melatoninproduktion
Säuglinge sind anfangs auf Melatonin aus der Muttermilch angewiesen, da ihre eigene Produktion noch nicht ausgereift ist. Mit fünf Jahren erreicht die Melatoninproduktion ihr Maximum. Im Alter nimmt sie ab. Genetische Variationen im Melatonin-Stoffwechselweg könnten bei ADHS, Autismus und Intelligenzminderungen eine Rolle spielen.

Möglicherweise wird in Zukunft spezielle Säuglingsnahrung mit natürlichem Melatonin aus getrennt gesammelter Tag- und Nachtmilch von Kühen für nicht gestillte Kinder verfügbar sein.

Studienergebnisse
Eine große Metastudie untersucht derzeit die Wirksamkeit von Melatonin bei verschiedenen Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter. Melatonin zeigt positive Effekte bei

  • bestimmten genetischen und neurologischen Erkrankungen wie dem Smith-Magenis-Syndrom 
  • blinden Kindern mit gestörten Schlaf-Wach-Zyklen
  • einigen Fällen von Autismus-Spektrum-Störungen

Es gibt auch Hinweise auf eine mögliche Wirksamkeit bei anderen komplexen genetischen Syndromen und Entwicklungsstörungen, jedoch sind diese Ergebnisse weniger eindeutig. Es gibt bisher keine klaren Belege für die Wirksamkeit von Melatonin bei häufigen Schlafproblemen wie Albträumen, Schlafwandeln oder unruhigen Beinen (Restless-Legs-Syndrom). Die Studie zeigt jedoch, dass Melatonin bei einigen spezifischen Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter hilfreich sein kann, aber nicht bei allen Arten von Schlafproblemen.

Behandlung mit Melatonin
Werden Schlafstörungen bei Kindern und Jugendlichen mit Melatonin behandelt, so ist Vorsicht geboten. Melatonin sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn andere Methoden wie Schlafhygiene und Verhaltenstherapie versagt haben. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 0,25–0,5 mg.
In Deutschland ist Melatonin für bestimmte kindliche Störungen wie die Autismus-Spektrum-Störung zugelassen. Die Behandlungsdauer sollte sechs bis zwölf Monate nicht überschreiten, gefolgt von einem mindestens zweiwöchigen Auslassversuch.
Soll Melatonin zur Behandlung von Schlafstörungen eingesetzt werden, müssen Eltern und Patienten über den Off-Label-Use und mögliche Nebenwirkungen aufgeklärt werden. Dabei sollten auch seltene, aber schwerwiegende Fälle von Überdosierung bei Kleinkindern erwähnt werden.

Merke: Melatonin beeinflusst nicht nur den Schlaf, sondern auch verschiedene Körperfunktionen und -systeme. Daher sollte seine Anwendung sorgfältig überwacht werden.

Weiterführende Informationen:

Paditz, E. Melatonin bei Schlafstörungen im Kindes- und Jugendalter. Monatsschrift Kinderheilkunde 172, 44–51 (2024)