9.7.1 Lernstörungen

02.06.2024


Häufigkeit
Der Schuleinstieg ist für die meisten Kinder eine Zeit voller Freude und Begeisterung. Allerdings haben etwa 10–15% der Schüler trotz angemessener Intelligenz Schwierigkeiten, den schulischen Anforderungen gerecht zu werden.
Schätzungen zufolge leiden etwa 10% der Schulkinder unter Schulangst.

Ursachen
Die Gründe hierfür können vielfältig sein und reichen von spezifischen Lernschwierigkeiten wie Problemen beim Lesen, Schreiben oder Rechnen bis hin zu Konzentrationsproblemen, sozialen Herausforderungen oder Sinnesbeeinträchtigungen.

Symptome
Wenn Eltern mit ihren Kindern den Hausarzt oder Kinderarzt aufsuchen, sind nicht direkt Lernschwierigkeiten der Grund, sondern Symptome, die auf Schulstress zurückzuführen sind. Diese Symptome können sowohl körperlicher (z.B. wiederkehrende Bauch- und Kopfschmerzen) als auch psychischer Natur sein (z.B. Schlaf-/Essstörungen, Verhaltensauffälligkeiten oder Depressionen). 
Eine Umfrage unter Kinderärzten ergab, dass mindestens 10% der vorgestellten Schulkinder schulbezogene Probleme haben, die sich in direkten Lernschwierigkeiten oder indirekten Symptomen manifestieren. Etwa 30% der Kinder, die wiederkehrende Bauch- oder Kopfschmerzen haben, leiden wahrscheinlich an schulbezogenen Problemen.

Begriffsdefinitionen
Im deutschsprachigen Raum gibt es keine einheitliche Definition für Begriffe wie Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Störung und Lese-Rechtschreib-Schwäche. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. unterscheidet zwischen einer angeborenen Lese-Rechtschreib-Störung (Legasthenie) und einer erworbenen Lese-Rechtschreib-Schwäche. Letztere kann durch verschiedene Faktoren wie psychische und physische Ursachen oder Schwierigkeiten im familiären Umfeld verursacht sein. Beide Störungen werden oft unter dem Kürzel „LRS“ zusammengefasst.

Was tun?
Körperliche Ursachen ausschließen

Bei der Behandlung von Schulproblematiken ist es wichtig, dass der Pädiater eine umfassende Betrachtung vornimmt und zunächst körperliche Erkrankungen ausschließt, auch wenn psychosomatische Störungen vermutet werden.

Weitere Abklärung
Es ist wichtig, Schulschwierigkeiten im Kontext der kindlichen Symptome sorgfältig zu bewerten und gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen und Abklärungen vorzunehmen. Dies kann die Überweisung an Fachärzte wie Kinder- und Jugendpsychiater, die Durchführung psychologischer Untersuchungen oder die Vorstellung in spezialisierten Einrichtungen (z.B. für Autismus) umfassen.

Elternberatung
Die Beratung der Eltern ist ein wesentlicher Bestandteil des Prozesses. Dabei liegt der Fokus darauf, die individuellen Stärken und Fähigkeiten der Kinder zu erkennen und zu fördern, ohne die Anerkennung ausschließlich auf schulische Leistungen zu stützen. Zudem sollten Eltern dabei unterstützt werden, konstruktive Wege im Umgang mit dem Kind zu entwickeln und Schuldgefühle anzusprechen.

Sport und Freizeit
Es ist auch wichtig, die Rolle von Sport und Freizeitaktivitäten zu berücksichtigen. Diese sollten nicht aufgrund von Schulschwierigkeiten eingeschränkt werden, da sie zur Entwicklung einer ausgewogenen Balance zwischen Schule und Freizeit beitragen und das Selbstvertrauen des Kindes stärken können.

Schule
Die Zusammenarbeit mit der Schule ist ein wichtiger Aspekt. Konstruktive Kommunikationswege zwischen Eltern und Schule sollten gefördert werden, um Schuldzuweisungen zu vermeiden. Die Kontaktaufnahme mit Lehrern, der Schulleitung und dem schulpsychologischen Dienst kann Teil dieser Bemühungen sein.

 

9.7.1.1 Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS)

Häufigkeit
Die Prävalenz von LRS ist schwer zu bestimmen, aber es wird geschätzt, dass 4–8% aller Schulkinder eine behandlungsbedürftige LRS haben. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen.

Ursachen
Die Ursachen sind bisher nicht vollständig geklärt, jedoch scheinen genetische Faktoren eine Rolle zu spielen. Kinder aus Familien mit einer Historie von LRS oder Sprachentwicklungsstörungen sind besonders gefährdet.

Symptome
Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) kann zu Problemen wie mangelndem Selbstbewusstsein, Schulangst, Verweigerung und Mobbing führen und ist oft mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) verbunden.

Diagnostik
Die pädagogische Diagnostik erfolgt in der Schule. Bei pädagogisch-psychologischen Fragestellungen sollten die Beratungslehrkräfte oder die Schulpychologische Beratungsstelle einbezogen werden.

Was tun?
Die Therapie umfasst spezielle Trainingsprogramme zur Lese-Rechtschreib-Schwäche, die psychische Stabilisierung des Kindes und die Optimierung des Umfelds. Es ist wichtig, den Selbstwert des Kindes zu stärken und die Einstellung der Eltern zu modifizieren. Für Kinder mit LRS kann es hilfreich sein, einen individuellen Nachteilsausgleich in der Schule zu erhalten.

 

9.7.1.2 Rechenschwäche (Dyskalkulie)

Eine Rechenschwäche tritt ähnlich häufig wie eine Legasthenie auf, wird aber an Schulen oft vernachlässigt. Auch hier erfolgt die pädagogische Diagnostik in der Schule. Bei pädagogisch-psychologischen Fragestellungen wiederum sollten die Beratungslehrkräfte oder die Schulpsychologische Beratungsstelle einbezogen werden.

Fortsetzung: 9.7.2 Konzentrationsstörung